![]() Der Meister einer fast verlorenen Kunst von Yang Li
Eine heiße Chinakohlsuppe: Schlucken und die Augen schließen. Es dampft im Magen. Die Wärme zieht in den Beinen hoch bis in die Knie. Und dann: Einen kleinen Ginseng-Rest kauen. Von der großen Zehe strömt die Energie bis zur Leiste nach oben, durchquert den Magen, bis zum Herz. Der Sturm zieht weiter, bis in die Spitze des kleinen Fingers. In der Kulturrevolution wurde der chinesische Arzt Wei Ren zum Arbeiten auf eine Baustelle geschickt, er solle „seine Moral verbessern“.Doch der junge Mann wollte seine Forschung zur chinesischen Medizin und ihrer Wirkung auf den Energiefluss nicht unterbrechen. So wie chinesische Ärzte es schon immer getan hatten, machte er alle Experimente mit der eigenen Zunge und dem eigenen Bauch. „Glücklicherweise gab es gleich neben der Baustelle eine Werkstatt für chinesische Kräuter. Dort wurden Kräuterreste weg geworfen“,erinnert sich Wei Ren. „Ich nahm sie mit, reinigte und trocknete sie und sortierte sie in Papiertüten.“ Mit diesen Schätzen begann er zahlreiche Tests. Bei der Arbeit, vor dem Schlafen, wenn niemand ihn bemerkte, nahm er die kleinen Papiertüten aus seiner Tasche und steckte sich einen Kräuterrest in den Mund. „Ich spüre das Qi jedes Krautes in meinem Körper“, sagt er. „Zieht die Energie nach oben oder nach unten? Welcher Qi-Leitbahn folgt sie? Hat die Menge und Zeit der Einnahme einen Unterschied gemacht?“ Mit seiner Apotheke in der Tasche und dem Labor im Magen analysierte er über 300 Kräuter. Mehrmals vergiftete er sich und schwebte in Lebensgefahr. Schließlich sortierte er die 20 nützlichsten und sichersten Medikamente aus. Medikamente tierischen Ursprungs verwendete er nie. Meridiane wie Autobahnen Nach der Lehre der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) zirkuliert die Energie in unserem Körper im Kreis. Das Blut und andere Körperflüssigkeiten tragen die Nährstoffe aus den Organen zu den Gliedern, von innen nach außen für unsere Aktivitäten. Diesen „Dampf“ der Flüssigkeiten nennen die Chinesen „Qi“. Er bildet ein Netzwerk, die so genannten Meridiane oder Qi-Leitbahnen. Wie drei Schichten einer Lotusblume liegen die Qi-Leitbahnen innen, in der Mitte und außerhalb des Körpers. Nahrung und Flüssigkeit werden in verschiedenen Organen „eingedampft“. Dieser Energiedampf strahlt aus, vom inneren Körper zur mittleren Schicht. Außen, rund um die Haut, bildet er eine Schutzschicht. Denn äußere „Energieschläge“ wie Wind, Hitze,Feuchtigkeit, Trockenheit und Kälte können in den Körper und in die verschiedenen Schichten ein dringen. „Stellen Sie sich vor, Sie beobachten eine Autobahn aus der Luft“, vergleicht Wei Ren die Energiebahnen. „Wenn der Verkehr langsamer wird,wissen Sie, es muss weiter vorne einen Unfall gegeben haben oder die Autobahn ist in einem schlechten Zustand.“ Durch das Testen der wichtigen Stellen an den Armen, Beinen und am Hals kann sich ein erfahrener Arzt ein Bild von der Energie und dem Kreislauf der Körperflüssigkeiten im Körper machen. Gibt es ein Problem, leitet er mit spezieller Medizin oder Akupunktur den Verkehr von Qi und Körperflüssigkeit wieder zurück in die richtige Richtung. Ist die Autobahn zu voll oder zu leer, wird Energie zugeführt oder entzogen. Ziel ist es, den gesamten Verkehr wieder fließen zu lassen. Kein Teil der Autobahn sollte überlastet oder zu wenig verwendet werden. Wieder entdecktes Wissen „Dieses alte Wissen um den Energiekreis und die Kunst der Pulsdiagnose sind seit vielen Jahren in China fast verloren gegangen. Ohne genaue Diagnose des Körperzustands bleiben die Symptome ein Rätsel und die Ärzte sind sich nicht sicher, welche Therapie sie wählen sollen“, stellt der chinesische Arzt Wei Ren fest. Weil er dieses Wissen bewahren und den Menschen zurückgeben wollte, schrieb er seine Forschungsergebnisse und Erfahrungen auf und nutzt jede Gelegenheit, sie zu teilen. Im Herbst 1994 erkrankte ein junger Arzt in Luoyang auf einer Reise in der Provinz Henan. Zwei Wochen lang hatte er Durchfall. Obwohl er selbst Arzt war, konnte er sich nicht heilen. „Glücklicherweise kam Großmeister Wei zu mir“, sagt Wang Yongmin heute. „Der Meister nahm meine Hand und testete den Puls am Handgelenk.“ Als der junge Mann dem Meister beschreiben will, was passiert ist,bittet ihn der Großmeister zu schweigen und gibt ihm einen winzigen Löffel Medizinpulver aus einer Flasche, das er mit heißem Wasser einnimmt. „Nach nicht einmal zehn Minuten spürte ich, wie mein Magen heiß wurde und die angenehme Wärme nach unten sank. Mein Körper fühlte sich nicht mehr so schwer an und die Kraft kehrte zurück“, erzählt Wang Yongmin. Er bat den Meister zu bleiben und mehr Medizin zu geben, doch dieser tastete erneut das Handgelenk und sagte: „Dein Puls läuft wieder glatt, mehr Medizin bringt dich nur aus dem Gleichgewicht.“
Seit dieser Begegnung folgt Wang Yongmin Meister Wei Ren und unterstützt ihn in der Praxis und bei Vorträgen. Er hat alles von ihm gelernt. Zusammen besuchten sie in Tibet den Medizin Buddha. In diesem Jahr wird Meister Wei Ren achtzig. Noch immer teilt er sein Wissen und heilt Menschen.Heute geschieht das durch seinen besten Schüler, den neuen Meister, Wang Yongmin. TCM in Düsseldorf Am 2. Juni findet in Düsseldorf der Internationale Kongresszur Pulsdiagnose statt. Die renommierten TCM Meister Wang Yongmin, Großmeister Li Shusen, Meisterin Wei Yingqing sowie der taoistische Meister Chen Yunhe kommen in die nordrhein-westfälische Landeshauptstadt. Sie begleiten die Teilnehmer und erläutern, wie man durch das Tasten der Arteria radialis den Zustand des gesamten Körpers begreifen kann. Daraus ergibt sich der Weg für Prävention und Heilung. Am 3. und 4. Juni ist die Tagung für alle Gesundheitsinteressierten geöffnet. Der TCM-Verband chinesischer Ärzte lädt zu Seminaren, Vorträgen, persönlicher Beratung und einer ersten Stunde Taichi ein.Der Eintritt ist frei, die Plätze sind begrenzt. Anmeldung unter:www.tcm-tag.org
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